Du oder Sie?

In alten steifen Zeiten gab es klare Regeln dafür, wer „Sie“ ist und wer „Du“. Diese Übersichtlichkeit ist passé. Jeder duzt jeden, ob Chef oder Kollegen. Das kann auch Nachteile haben: „Du Trottel“ kommt einem schneller über die Lippen als „Sie Trottel“.

Du oder Sie?

Früher, in den steifen alten Zeiten, gab es eindeutige Regeln dafür, wer wem unter welchem Umständen das „Du“ anbieten darf: Die Dame dem Herrn, der Ältere dem Jüngeren, der Hochrangige dem Nachrangigen. Alles andere war unschicklich.
Heute gibt es diese Regeln zwar theoretisch immer noch, aber sie sind ziemlich verwaschen und zum Teil ganz außer Kraft gesetzt. Inzwischen hängt es, zumindest im Berufsleben, häufig von der Branche und dem Arbeitsumfeld ab, ob man sich eher duzt oder eher siezt: Geht es im Banken-Milieu in dieser Hinsicht noch sehr konservativ zu, so gehört es in den Medien, der Werbung und der Computerbranche häufig zum Firmenstil, dass alle miteinander per Du sind.
Spontan-Duzen. Einander förmlich das „Du“ anbieten, gefolgt vom rituellen Brüderschafttrinken – das gibt es zwar noch, aber dieser feierliche Akt wird im Berufsleben nicht selten ersetzt durch umstandsloses Spontan-Duzen: Irgendwann im Laufe der Zusammenarbeit fängt einer an, den anderen zu duzen. Und der andere steigt in der Regel genauso spontan darauf ein (Ausnahmen siehe unten), oft sogar mit großer Freude, denn das vertrauliche „Du“ ist eine Ehre oder wird zumindest als Ehre angesehen.
Am weitesten verbreitet ist dieser formlose Übergang zum „Du“ unter jüngeren, gleichaltrigen Mitarbeitern. Selbst wenn sie innerhalb der Rangordnung unterschiedliche Positionen haben, kommt ihnen das „Sie“ für den Umgang miteinander oft zu steif und spießig vor. Ansonsten ist es in Anlehnung an die traditionellen Regeln oft der Ältere oder Höherrangige, der übergangslos zum „Du“ wechselt.
Pseudo-Duzen. Es gibt das „Du“, das Verbundenheit und Freundschaft signalisiert wie damals bei Winnetou und Old Shatterhand. Genauso häufig ist in der Geschäftswelt allerdings zu beobachten, dass sich auch Leute duzen, die einander in herzlicher Abneigung verbunden sind oder sogar bekanntermaßen nur darauf warten, den anderen in die Pfanne hauen zu können. Hier zeigt das „Du“ nicht mehr an, als dass da zwei zu demselben „Club“ gehören: Man duzt sich, weil man in etwa gleich alt ist und gleich mächtig, weil es irgendwie dazu gehört, am Du-Ritual teilzunehmen. Oder weil man seine eigene Wichtigkeit prima zur Schau stellen kann, wenn man in der Öffentlichkeit noch wichtigere Leute duzen darf. Wer unter solchen Umständen das „Du“ angeboten bekommt, hat nicht wirklich Grund dazu, sich über einen neugewonnenen Freund und Blutsbruder zu freuen.
Das gilt übrigens auch für die netten Amerikaner, die alle immer gleich beim Vornamen anreden und sowieso nur das „you“ kennen: Mit Vertrautheit hat das nichts zu tun, sondern bestenfalls mit einer gepflegten Lässigkeit. Doch hinter ihr verbergen sich Regeln über den zulässigen Grad an Nähe in festen Rangordnungen, die den Du-Sie-Gesetzen in Deutschland um nichts nachstehen.
„Du“-Nachteile. Davon gibt es reichlich. Sie haben alle damit zu tun, dass mit dem „Du“ eine existierende Distanz abgebaut wird. Die ist zwar vielleicht tatsächlich steif und spießig – aber im Berufsleben sorgt sie dafür, dass man sich eine ganze Reihe von vermeidbaren Konflikten und Enttäuschungen erspart:
Immer mehr Vorgesetzte gehen ihren Mitarbeitern gegenüber mit einem großzügig angebotenen „Du“ auf Schmusekurs. Das rächt sich spätestens dann, wenn der Chef den Chef raushängen lassen will oder muss: Es ist wesentlich schwerer, lästige oder unangenehme Arbeitsaufträge an Mitarbeiter zu verteilen, mit denen man per Du ist. Denn wer seinen Chef duzt, wird viel eher versuchen, eine Diskussion vom Zaun zu brechen, um die Arbeit doch noch irgendwie von sich abzuwenden, als jemand, der mit ihm per Sie ist.
„Sie Trottel“ ist ein Angriff, der einfach schwerer über die Lippen kommt als „Du Trottel“: Wenn man sich duzt, ist bei Konflikten schon rein sprachlich die Gefahr wesentlich größer, dass man in Sachen Wortwahl in seiner Wut entgleist. Das „Sie“ hingegen ist wie eine eingebaute Mahnung, sich gefälligst auch im schlimmsten Streit noch zusammenzureißen.
Wer unbedarft auf ein Spontan-Duzen einsteigt und sich über diesen Freundschaftsbeweis freut, kann sich ganz schön blöd vorkommen, wenn Herr oder Frau Wichtig am nächsten Tag oder bei der nächsten Begegnung auf das trauliche „Du“ wieder mit einem strengen „Sie“ reagiert. Diese Form von Machtspielchen kommt häufiger vor, als man denkt. Sie ist peinlich für den, der es spielt – aber noch peinlicher für den, der darauf reinfällt.
Es kann schmerzhafte Folgen haben, wenn man ein strategisches Ritual-Du für ein Zeichen inniger Freundschaft hält und darauf mit einem Vertrauen reagiert, das der andere dann enttäuscht oder missbraucht. Das muss noch nicht einmal in finstere Intrigen münden. Es ist schlimm genug, wenn ein Vorgesetzter einen neuen Mitarbeiter spontan und herzlich duzt – um ihn dann am Ende der Probezeit leider doch zu feuern.
„Du“ anbieten. Unsichere Menschen sind gut beraten, mit diesem Angebot vorsichtig umzugehen. Mit ein bisschen Beobachtungsgabe kann man sich viel Frust und Ärger ersparen: Wie halten es die anderen im Unternehmen mit dem „Du“? Wer duzt wen – und hat das mit Vertraulichkeit oder „nur“ mit dem Firmenstil zu tun? Wie und wann bieten die anderen einander das „Du“ an?
Im Zweifel ist ein Blick auf die guten alten Regeln Gold wert. Wer dazu keine Lust hat oder sich als lässiger Unangepasster präsentieren will, kann schnell eine Bauchlandung machen. Bei aller Duzerei gibt es nämlich immer noch viele Chefs und Kollegen, die es überhaupt nicht schätzen, wenn ein jüngerer, nachgeordneter Mitarbeiter ihnen locker-flockig das „Du“ anbietet oder genauso charmant wie ungebeten zum Spontan-Duzen übergeht.
„Du“ ablehnen. Wer einem anderen das „Du“ anbietet, muss damit rechnen, dass der es ablehnt. Das kommt allerdings nicht oft vor, weil es den meisten Leuten zu peinlich wäre. Besonders Jüngere oder in der Hierarchie niedriger Stehende ziehen es aus Taktgefühl oder Angst vor, sich entweder in ihr Schicksal zu fügen und brav „Du“ zu sagen oder in Zukunft die direkte Anrede zu vermeiden, auch wenn das sprachlich noch so umständlich ist. Beides ist keine ideale Lösung. Deshalb lohnt es sich, im Zweifel lieber im entscheidenden Moment Farbe zu bekennen, als hinterher ewig an einem ungeliebten „Du“ herumzukauen. Zumal es letztlich gar nicht so unendlich schwierig ist, ein „Du“ abzulehnen:
Am leichtesten ist das beim unerwünschten Spontan-Duzen. Wenn Sie darauf stur mit einem entschiedenen „Sie“ antworten, wird irgendwann auch der begriffsstutzigste Mitmensch merken, dass sein „Du“ nicht angesagt ist.
Wer Mut hat, kann auch ein direkt angebotenes „Du“ ablehnen, wenn er dafür eine einleuchtende Begründung liefern kann. Die muss zwar nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen, sollte aber so gestrickt sein, dass sie den „Du“-Anbieter nicht verletzt, zum Beispiel „Mir ist es ehrlichgesagt lieber, damit abzuwarten, bis klar ist, dass ich die Probezeit überstehe“ oder „Ich glaube, dass meine Kollegen darauf eher eifersüchtig reagieren würden“.
Wer diesen Mut nicht aufbringt (was auch verständlich ist), der kann das „Du“ zwar pro forma annehmen, aber den anderen danach „aus Versehen“ so oft siezen, dass er irgendwann versteht und seine Duzerei wieder aufgibt.
Privat per Du, offiziell per Sie. Warum sollten sich Duzfreunde im Brief oder in der mündlichen Anrede auf einmal wieder siezen? Ein Muss ist das nicht, aber manchmal lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob nicht ein förmliches „Sie“ für alle Außenstehenden besser aussieht. Das gilt für hochoffizielle Schreiben, die in Kopie an einen riesigen Verteiler gehen, genauso wie für festliche Reden und wichtige Sitzungen: Da kann Duzen angeberisch aussehen und all die vor den Kopf stoßen, die bisher noch nicht in den Genuss des vertraulichen „Du“ gekommen sind.

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